Du verstehst mich einfach nicht! - Aktiv zuhören als Schlüssel zur Problemlösung

Dass Zuhören zur Kommunikation gehört, wie das Amen zum Gebet, ist wohl kein Geheimnis. Damit sich eine Person aber auch wirklich verstanden fühlt, kommt es auf das WIE an. Wie Aktiv Zuhören funktioniert - und warum es gerade in Problemsituationen hilfreich ist, erfahren Sie in diesem Artikel.

Die große Herausforderung in der Kommunikation liegt darin, dass sie oft verschlüsselte Botschaften enthält. Die ausgesprochenen Worte sind meist nur ein kleiner Teil dessen sind, was uns das Gegenüber eigentlich mitteilen will. Viel entscheidender als das, was gesagt wird, ist, wie etwas gesagt wird und welche non-verbalen Signale ausgesendet werden. Tonfall, Gesichtsausdruck und Körperhaltung geben für gewöhnlich wesentlich mehr Aufschluss über Gefühle, Empfindungen und Bedürfnisse einer Person, als Worte. 

Redet Ihr Kind mit hängenden Schultern und leiser Stimme über den Besuch bei seinem besten Freund, ist das genauso ein Code dafür, dass irgendetwas nicht stimmt, wie die geballten Fäuste, wenn Ihr Partner von seinem Chef erzählt. Dann liegt es an Ihnen als Empfänger, diesen Code zu entschlüsseln und den wahren Hintergrund der Botschaft zu erkennen.

Warum zuhören nicht gleich zuhören ist

Was bedeutet für Sie zuhören? Wahrnehmen, was der andere sagt und darauf eingehen? Die Fragen Ihres Kindes nach bestem Wissen und Gewissen zu beantworten? Den Erzählungen Ihres Partners aufmerksam zu lauschen und seine Aussagen zu kommentieren? Das alles ist eine gute Grundlage - aber gerade in Problemsituationen oft nicht genug.

Alltägliche Kommunikation baut meist darauf auf, was jemand sagt. Sie hören die Worte des anderen und reagieren in irgendeiner Art und Weise darauf - mit Antworten, Kommentaren, Entgegnungen oder Zustimmung. Das ist die Basis für einen Dialog. In vielen Situationen funktioniert das sehr gut - solange sich Ihr Gesprächspartner im problemfreien Bereich befindet.

Hat die Person jedoch ein Problem, kann es schon etwas kniffliger werden. Dann können Ihre Reaktionen die Mitteilungsbereitschaft Ihres Gegenübers mitunter blockieren und zu Kommunikationssperren werden. Mit Zuhören hingegen fördern Sie die Kommunikation und können effektiv dabei unterstützen, dass die andere Person eine konstruktive Lösung für ihr Problem findet - egal, ob es sich um ein Kind oder einen Erwachsenen handelt.

Die vier grundlegenden Techniken des Zuhörens

Passives Zuhören (Schweigen)

Niemand wird mit Ihnen über seine Probleme sprechen können, wenn Sie selbst die meiste Zeit reden. Durch Passives Zuhören senden Sie eine indirekte Einladung an den anderen, Ihnen von seinen Schwierigkeiten zu erzählen - und überlassen ihm die Entscheidung, was und wie viel er Ihnen mitteilen möchte. Schweigen vermittelt auf der einen Seite, dass Sie ein offenes Ohr für die Probleme des anderen haben und seine Gefühle akzeptieren - auf der anderen Seite ist das alleine jedoch oft nicht genug.

Reaktionen der Aufmerksamkeit

Um der anderen Person zu zeigen, dass Sie ihr auch wirklich zuhören, helfen sogenannte „Aufmerksamkeitsreaktionen“. Das sind verbale oder non-verbale Signale (z. B. Laute wie „Oh“, „Mhm“, „Ja“ oder nicken, lächeln, Stirn runzeln, nach vorne lehnen etc.), durch die Sie Anteilnahme und Interesse vermitteln, ohne Ratschläge oder Lösungen zu liefern. 

Türöffner oder Einladungen

Manchmal braucht die Person zusätzliche Ermutigung, um über ihre Probleme und Gefühle sprechen zu können. In diesem Fall können offene Fragen wie z. B. „Willst du darüber reden?“, „Was denkst du darüber?“ etc. hilfreich sein. Durch diese Türöffner lassen Sie Ihrem Gesprächspartner die Möglichkeit, frei über sein Problem zu sprechen, ohne eine Wertung oder Beurteilung mitschwingen zu lassen.

Aktives Zuhören

Die wichtigste Technik im GORDON Training ist das Aktive Zuhören. Der Unterschied zu den anderen Methoden des Zuhörens ist, dass Sie der anderen Person in diesem Fall eine Rückmeldung zu ihrer Botschaft geben und sie damit bei der Problemlösung unterstützen. Wie das funktioniert, sehen wir uns nun genauer an.

Wie Aktives Zuhören funktioniert

Aktives Zuhören baut darauf auf, dass jeder Mensch von individuellen Erfahrungen und Erlebnissen geprägt ist, die ihn in seiner Wahrnehmung beeinflussen und Gefühle auslösen. Oft ist sich eine Person dessen aber gar nicht bewusst und kann ihre Empfindungen nicht direkt mitteilen. Sie bedient sich stattdessen verschiedener Ausdrucksformen (Worte, Tonfall, Mimik, Gesten etc.), um ihre innere Wahrnehmung in Form einer verschlüsselten Botschaft auszudrücken. 

Als Empfänger einer Botschaft werden Sie so mit einem Code konfrontiert, ohne die inneren Erfahrungen des Senders zu kennen. Wollen Sie den Kern der Botschaft verstehen, müssen Sie diesen Code erst entschlüsseln. Durch sorgfältiges Horchen und genaues Beobachten erhalten Sie einen Eindruck davon, was sich im Innersten des Senders abspielt und können Vermutungen über die Erfahrungen, Empfindungen und Gefühle der anderen Person anstellen. Genau an diesem Punkt kommt das Aktive Zuhören ins Spiel.

Beim Aktiv Zuhören geht es darum, zu verstehen, nicht zu antworten!

Um das Problem des Senders zu verstehen, spiegeln Sie dessen Botschaft wider und melden Ihre Wahrnehmungen und Vermutungen in Ihren eigenen Worten zurück. Sie versuchen sozusagen, das Problem zu benennen - zum Beispiel durch Sätze wie:

  • Du hast das Gefühl, dass …

  • Du glaubst, dass …

  • Du bist … (z. B. wütend, enttäuscht, traurig, glücklich etc.)

  • Du hast … (z. B. Angst, Sorge etc.)

  • Kann es sein, dass du …

  • Verstehe ich dich richtig, dass …

Trifft Ihre Wahrnehmung zu, wird der Sender die Rückmeldung bestätigen. Er fühlt sich verstanden und es fällt ihm leichter, weiter über sein Problem zu sprechen. Trifft Ihre Wahrnehmung nicht zu, erkennt der Sender dennoch Ihr aufrichtiges Bemühen und versucht wahrscheinlich, seine innere Erfahrung anders zu beschreiben. So und anders werden Sie dem wahren Problem immer näher kommen.

Warum Aktives Zuhören bei der Problemlösung hilft

Durch Aktives Zuhören ist der Sender in gewisser Weise “gezwungen”, genau in sich hineinzuhorchen. Er muss seine Gefühle reflektieren und überprüfen, ob die Rückmeldung des Empfängers mit seinen Empfindungen und seiner Wahrnehmung übereinstimmt. Was dazu führt, dass er sich mit seinem Problem intensiver auseinandersetzt und entscheidende Erkenntnisse über die Ursachen gewinnt. Und diese Erkenntnisse helfen wiederum wesentlich dabei, eine eigene Lösung für seine Probleme zu finden.

Birgit Mayrhofer